Arbeitsbündnis: ASDs zukunftsfähig entwickeln

Leitsätze der Bundesarbeitsgemeinschaft ASD/KSD zur Personalentwicklung im ASD.

Die BAG ASD/KSD fordert mit diesen Leitsätzen zu gemeinsamen Anstrengungen aller Verantwortlichen der öffentlichen Jugendhilfe auf, die Personalsituation in den ASDs mit konkreten Maßnahmen zu verbessern und auf eine zukunftsfähige Entwicklung für die Fachkräfte in den ASDs und des Arbeitsfeldes insgesamt hinzuarbeiten.

1. Ausgangslage

Trotz starker Personalzuwächse in den ASDs seit 2010 (von 2010-2014 um rd.3.500 VZ-Stellen, siehe ASD-Report 09-2017), hat sich die Personalsituation nicht langfristig entschärft:
Die Fallzahlen liegen weiterhin hoch, steigern sich erneut von 2015-2016 deutlich (siehe ASD- Report 02-2018) und auch für 2016-2017 sind weitere Zuwächse prognostiziert.
Gleichwohl wird die Personalgewinnung vielerorts als immer schwieriger wahrgenommen. Dafür sind -in Kürze- folgende Faktoren maßgeblich:

  1. Die demografischen Tendenzen: 48,5 % der Fachkräfte im ASD sind 40 Jahre u. älter, 6,4 % älter als 60 Jahre,
  2. Sinkende Attraktivität aus Sicht vieler Studierenden (Bürokratie, begrenzte Autonomie),
  3. Wachsende Problemdichte der Arbeitsinhalte (Kinderschutz, Problemquartiere),
  4. Hohe Fluktuationsquote (Zeitverträge, Schwangerschaftsvertretungen, Teilzeitkräfte),
  5. Veränderte Wertmuster der jungen Fachkräftegeneration (work-life-balance, Lebensqualität, geteilte Elternrolle).

Die Anforderungen des Kinderschutzes, die den Einsatz qualifizierter und erfahrener Fachkräfte erfordern um qualifizierte Arbeit sicher zu stellen, prägen erheblich die Dynamik in den ASDs. Für die Anstellungsträger ist dieser Aufgabenbereich mit hohem Aufwand verbunden. Denn es gilt, die wachsende Zahl an Gefährdungseinschätzungen im Berufsalltag der ASDs mit differenzierten fachlichen Standards zu bewältigen. Für das jüngere Fachpersonal ohne ausreichende Erfahrung in der Kinderschutzpraxis, müssen in den ASDs Einarbeitungsunterstützung und Qualifizierung gesichert werden.
Zusammenfassend werden die Gründe für die vorgenannten Entwicklungen durch folgende Faktoren geprägt:
Die Entwicklung im Bereich des Kinderschutzes wurde auch aufgrund gesetzlicher Veränderungen in den Jahren 2006, 2008 und 2012, durch folgende Entwicklungen geprägt:

  • einem deutlichen Fallzahlanstieg bei den sog. Gefährdungseinschätzungen,
  • dem damit verbundenen höheren Arbeitsaufwand (Teamberatung, Hausbesuch und Dokumentation als Standards),
  • die wachsende Zahl der familiengerichtlichen Anrufungen sowie
  • die enorm gestiegene Anzahl der Inobhutnahmen.

Diese Faktoren machen insgesamt eine hohe fallbezogene Dynamik aus, die sich sowohl auf die inhaltlichen Anforderungen in den ASDs als auch die Auslastung der vorhandenen Personalkörper auswirken.

2. Fachkräfteebene

2.1 Subjektive Entwicklungslinien

  • Veränderte Motivlagen der Berufswahl und subjektive Erwartungen gewinnen an Bedeutung, Struktur- und Sachzwänge werden hinterfragt. Das Helfen, für Andere „sich aufopfern“, ist als Grundmotiv nicht tragend, ein „Dienstleistungsmotiv“ überwiegt; gesellschafts- und sozialpolitische Motive werden weniger gewichtig.
  • Die Vorstellung von Professionalität verändert sich: wenn ich als Person zu kurz komme, kann die Leistung auch nicht stimmen!
  • Veränderte Lebenseinstellungen (Zufriedenheit im Beruf und Privatleben) sind im Konflikt mit Berufserwartungen>< Berufsrealität (Arbeiten um zu leben statt „leben um zu arbeiten“).
  • Verändertes Arbeitsfeld – ASD als behördliches, hoch reglementiertes und standardisiertes Regelsystem, hoher Dokumentationsaufwand/EDV und wachsende Sitzungsroutinen (siehe BAG ASD/KSD „Wenn zuviel geregelt wird ASD“, in: JAmt, Heft 10/2016, S. 477 ff.)

2.2 Strukturelle Entwicklungslinien

  • ASDs tragen wesentlich zum sozialen Zusammenhalt von Familien und Menschen in den Quartieren bei. Sie fördern die Entwicklungsbedingungen junger Menschen präventiv und durch konkrete Hilfen und leisten somit einen bildungsrelevanten Beitrag.
  • ASDs verkörpern den Begriff „Lösungsorientierung“ durch ihren Bezug zu den Lebenswelten/Sozialräumen der Adressaten, durch ihre regionale Vernetzung und Niederschwelligkeit.
  • ASDs sind strukturell auf Kooperation und Vernetzung mit unterschiedlichen Professionen angelegt, insbesondere mit dem Bildungs-, Sozial- und Gesundheitswesen und Ressourcen der bezirklichen Sozialräume.
  • ASDs beteiligen Kinder und Jugendliche in den Hilfeplanverfahren, berücksichtigen deren Wunsch und Wahlrecht und fördern die Erziehungskräfte der Eltern.
  • Die Zielgruppen des ASD sind geprägt durch zunehmend belastete und an der Armutsgrenze lebende (oft alleinerziehende) Familien. Manche Stadtteile sind andauernd als soziale Brennpunkte in Schieflage geraten. In diesen Spannungsfeldern bewegen sich ASDs als Fachkräfte in Kinderschutzfragen und Vermittler sozialer/pädagogischer Hilfen.
  • ASDs sind als Teil der Kommunalverwaltungen (Jugendämter) im Innen- und Außendienst, flexible sozialpädagogische Arbeitseinheiten, die sich über die Jahrzehnte den geänderten Anforderungen immer wieder neu und erfolgreich gestellt haben.
  • Die nächste Herausforderung stellt sich durch die inklusive Ausrichtung der öffentlichen Jugendhilfe, die das Profil der ASDs spürbar im Sinne der Teilhabe verändern wird.

3. Zentrale Fragen

  • Was können zukunftsfähige, positive Leitmotive für das Berufsengagement im ASD sein?
  • Wie werden berufliche und private Grunderwartungen besser vereinbar gestaltet?
  • Wie steigern wir die Attraktivität des Arbeitsfeldes ASD in der realen Konkurrenz zu anderen Berufsfeldern?
  • Wie kann das zentrale Arbeitsprinzip der ASDs, d.h. Teams als Form des „Zusammenwirkens mehrerer Fachkräfte“ neu belebt und weiter entwickelt werden?
  • welche strukturellen Bedingungen müssen Anstellungsträger angesichts hoher Problemdichte und komplexer Erwartungen für ihr Fachpersonal sicherstellen?
  • welche Maßnahmen/Angebote der Personalunterstützung braucht ASD Arbeit heute (Arbeitsplatzgestaltung, Krankheitsvertretung, technische Unterstützung, personelle Förderung, regelmäßige Supervision und gesicherte Weiterbildung?)

4. Ziele und Maßnahmen

Die rund 560 ASDs im Bundesgebiet haben über die Jahre eine äußerst heterogene Entwicklung gemacht, die Anfragen nach den Mindeststandards struktureller Qualitäten auslösen.
Deshalb bedarf es – bei aller Eigenständigkeit der Kommunen und Länder – einer fachlichen Verständigung über unverzichtbare Eckpunkte struktureller Maßstäbe der ASDs (hier insbesondere Bezirkssozialarbeit). Inhaltlich ist dabei weitgehend unstreitig:

  • Ein „weiter so“ kann es für die ASDs auf Dauer nicht sein – allein aufgrund der demografischen Umbrüche der nächsten 5-10 Jahren. Und besonders aufgrund der anstehenden inklusiven Jugendhilfe!
  • ASD Arbeit gerät zunehmend in die Schere divergierender Anforderungen:
    helfen und kontrollieren, in der Einzelhilfe aufreiben ohne strukturelle Lösungen zu finden.
    Die „Selbstwirksamkeit“ der Bezirkssozialarbeit leidet so tendenziell Schaden – es wird unklar: was habe ich als einzelne Fachkraft am Ende des Arbeitstages wirklich verändert?
  • Für die Sicherung leistungsfähiger, belastbarer und attraktiver ASDs, haben nicht nur die Jugendamtsleitungen Verantwortung – dies muss auch die Aufgabe der „staatlichen Gemeinschaft“ und der Sozial- und Jugendhilfeplanung sein.
  • ASD Arbeit muss auch wieder (öfter) Freude machen können. Wer diese Aspekte nicht für vereinbar hält, bestätigt die nur Notwendigkeit eines grundlegenden Veränderungsbedarfs.

Mit den Kommunalen Spitzenverbänden soll in einem fachlichen Arbeitsbündnis („ASDs zukunftsfähig entwickeln“) und im Dialog mit ASD Fachkräften, auch über konkrete Rahmenbedingungen (Strukturqualitäten) gesprochen werden, die für die Qualität des Arbeitsalltags in den ASDs wesentlich sind. Dazu gehören zunächst:

  • ausreichendes und qualifiziertes Personal, gute und gesicherte Arbeitsbedingungen, fachlich qualifizierte Konzepte, hohe Motivation aller Beteiligten, angemessene Arbeitsbelastung, kompetente Leitungsunterstützung, attraktive Angebote für junge Nachwuchskräfte u.a.m.

Im Detail bestehen lokal unterschiedlich ausgeprägte Strukturqualitäten (Standards), die i.S. einer bundesweiten fachlichen Verständigung qualitativ hinreichend bestimmt werden müssen. Dazu gehören insbesondere folgende Elemente:

  • die Eingrenzung von Zeitverträgen und proaktive Einstellungsverfahren,
  • Personalreserven für Vakanzen und Teilzeitarbeitsmodelle,
  • Freistellungsregelungen für Fort- und Weiterbildung und Supervisionsgrundsätze,
  • entlastende Technik- und Verwaltungsunterstützung,
  • Grundsätze der Kooperation mit (Fach-)Hochschulen und Einarbeitungsmodelle.

Für die Konkretisierung der notwendigen Entwicklungsziele und Qualifizierung der ASD Handlungsbedingungen, bietet schließlich auch §79a SGBVIII einen Rahmen, in dem konkrete Maßstäbe und Grundsätze der Fachlichkeit entwickelt werden können. Ob Einarbeitungsgrundsätze, Instrumente einer flexiblen Personalbewirtschaftung oder Fortbildungsleitlinien – all das bedarf der gemeinsamen Diskussion in einem Arbeitsbündnis für die zukunftsfähige Weiterentwicklung der Allgemeinen Sozialen Dienste.
Bundesarbeitsgemeinschaft ASD/KSD
gez. Karl Materla

Download: ASD-Leitsätze – Fachkräfteentwicklung BAG/ASD

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