Die BAG ASD begrüßt die neue Regelung in § 79 Abs. 3 SGB VIII, nach der der Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Rahmen seiner Gesamtverantwortung verpflichtet ist, zur Gewährleistung einer bedarfsgerechten Personalausstattung ein Verfahren der Personalbemessung zu nutzen und anzuwenden. Die Verpflichtung betrifft die gesamten Aufgaben und Handlungsbereiche der örtlichen Jugendämter, insbesondere aber den Aufgabenkreis der ASD mit ihren bundesweit rd. 16.000 Fachkräften.
Die BAG ASD hat sich im Reformprozess für eine solche Regelung zur Personalbemessung im SGB VIII eingesetzt. Die BAG ASD sieht in dieser gesetzlichen Verpflichtung einen wichtigen Anstoß zu einer regelmäßigen, kontinuierlichen Überprüfung des Personalbestandes und des Personalbedarfs in quantitativer und qualitativer Hinsicht sowie zu entsprechenden Maßnahmen der Weiterentwicklung der personellen Rahmenbedingungen für die Arbeit der ASD.
Die Leistungsfähigkeit der ASDs für ihre anspruchsvollen Aufgaben, insbesondere im Kinderschutz, steht seit mindestens 25 Jahren immer wieder im Focus politischer, fachlicher und öffentlicher Auseinandersetzungen. In der Aufarbeitung problematischer Kinderschutzfälle, in wissenschaftlichen Untersuchungen und in medien-öffentlichen Debatten wird dabei immer wieder ein Zusammenhang zwischen personeller Ausstattung, Überlastung und unzureichender Leistungsfähigkeit kritisch hinterfragt. Umso bedeutsamer ist die Aufgabe, eine sorgfältige Personalbedarfsplanung und Personalanpassung an die dynamisch sich entwickelnden Anforderungen in den ASD vorzunehmen. Dass hier strukturierte Verfahren angewendet werden müssen, zeigen auch die erheblichen Unterschiede in den Ausstattungen der Sozialen Dienste in den verschiedenen Städten, Kreisen und Gemeinden, worauf Untersuchungen und Berichte (Jugendhilfe-Monitor des Deutschen Jugendinstituts, Landesberichte und Berichte der Landesjugendämter, IKO-Netz-Vergleichsringe der KGSt) einhellig verweisen.
In der gesetzlichen Regelung zur Personalbemessung (§ 79 Abs. 3 SGB VIII) ist eine generelle Anforderung benannt, jedoch sind keine Kriterien angegeben für Verfahren, die realisiert sein sollten, um dem Sinn der gesetzlichen Regelung zu entsprechen. Die BAG ASD benennt im Folgenden einige zentrale Eckpunkte und Anforderungen als „Prüfkriterien“, an denen sich künftige fachlich und organisationsbezogen tragfähige Verfahren der Personalbemessung ausrichten und bewerten lassen sollten.
Die BAG ASD plädiert für eine prozessorientierte Personalbemessung im ASD und hält diese im Sinne des vom SGB VIII ausgelösten Impulses für erforderlich.
Dies bedeutet insbesondere:
- Prozessorientierte, qualitative Personalbemessungsverfahren sind bereits in der Praxis entwickelt und haben sich in der Praxis als nützlich und angemessen erwiesen. Bei diesen Verfahren werden Ziele, Qualitätskennziffern und Ressourcen des ASD in aufgegliederten und definierten Leistungen prozesshaft konkret beschrieben und Zeitaufwendungen dafür ermittelt. Aus der Gesamtzahl und aus der qualitativen Charakterisierung der Prozesse ergibt sich der Personalbedarf für die so beschriebenen Leistungen. Im Zentrum der prozessorientierten Verfahren stehen fachlich legitimierte Bezugsgrößen und nicht primär formale quantitative Richtwerte, deren fachlicher Bezugspunkt und deren fachliche Legitimation intransparent bleiben und die nach Erfahrungen aus der Praxis nur begrenzt auf neue Sachverhalte und Anforderungen angepasst werden.
- In prozessorientierten Verfahren sind örtliche Bedingungen des einzelnen Jugendamtes bzw. des jeweiligen ASD und die Bedingungen der örtlichen Jugendhilfe-Infrastruktur systematisch zu berücksichtigen. Der Personalbedarf begründet sich nicht ausschließlich durch die Anzahl der Fälle der Hilfen zur Erziehung, sondern auch durch die Komplexität der jeweiligen Anforderungen, durch die Leistungsnagebote der örtlich tätigen Träger und durch die spezifischen örtlichen Qualitätsanforderungen, die in einem Jugendamt bzw. in einem ASD zugrunde gelegt werden. Ferner kann dadurch die Vielfalt der unterschiedlichen Organisationsformen abgebildet werden. Zum Beispiel können dadurch Aspekte berücksichtigt werden wie z.B. Schnittstellen zur Wirtschaftlichen Jugendhilfe oder zu anderen externen oder internen Diensten (Pflegekinderdienst, Jugendhilfe im Strafverfahren etc.), die in den 576 Jugendämtern der Bundesrepublik unterschiedlich ausgestaltet sind.
- Dabei ist es aus Sicht der BAG ASD entscheidend, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in die Entwicklung dieser Verfahren eingebunden bzw. beteiligt werden und diese auch mit ihrer fachlichen Kenntnis und Einschätzungen zu den alltäglichen Anforderungen der „Fälle“ anreichern. So gelingt es, konzeptionelle und methodische Kompetenzen der Sozialen Arbeit in die jeweiligen Fragestellungen, beispielsweise zu fallunabhängigen System- und Rüstzeiten, (wie z.B. Dienstbesprechungen, Kollegiale Beratungen, Kontakte in den Sozialraum) einzubringen und eine von Urlaubs- und Krankheitstagen bereinigte Jahresarbeitszeit (meist nach den Empfehlungen der KGSt) zugrunde gelegt werden.
- Prozessorientierte Verfahren bieten den Vorteil, dass gesetzliche Änderungen (z.B. wie gegenwärtig durch das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz) in ihrer Auswirkung auf den Personalbedarf konkret aufgegriffen werden können. Dabei ist entscheidend, dass nicht nur ein Verfahren der Personalbemessung etabliert wird, sondern dass auch in regelmäßigen zeitlichen Zyklen der Personalbedarf überprüft und angepasst wird. Personalbemessung ist als kontinuierlicher, zyklisch immer wieder erneut aufzunehmender Prozess der Überprüfung und Bewertung des Personalbestandes und des Personalbedarfs zu verstehen und zu praktizieren.
- Aus Sicht der BAG ASD ist der Jugendhilfeausschuss als fachpolitisches Gremium in regelmäßigen Abständen über das Verfahren die Personalbemessung und der Personalentwicklung sowie über die Ergebnisse dieser Verfahren und Prozesse zu informieren. Auch sind dort Fragen von Stellenvakanzen und ggf erforderlichen „Reservebedarfen“ zu beantworten. Der Jugendhilfeausschuss ist dasjenige Gremium, das als Teil des zweigliedrigen Jugendamtes die Gesamtverantwortung für die Strukturen und die Ausstattung der örtlichen Kinder- und Jugendhilfe trägt und muss sich daher auch in die Verantwortung für eine quantitativ und qualitativ angemessene Personalausstattung in der Kinder- und Jugendhilfe einbinden.
Die Verfahren zur Personalbemessung im ASD müssen den genannten fünf Prüfkriterien entsprechen, damit sie als eine den Aufgaben entsprechende und die Entwicklungsdynamik im ASD aufnehmende Verfahrenspraxis gelten können. In vielen Stellen Städten, Kreisen und Gemeinden sind bereits solche Verfahren (z.T. mit Hilfe und mit Beratung von Instituten) praktiziert worden, die in eine fachlich und organisational richtige Richtung weisen. Bisher entwickelte und praktizierte Verfahren sollten systematisch evaluiert werden, wobei insbesondere die genannten fünf Prüfkriterien den Evaluationen zugrunde gelegt werden sollten. Auf der Grundlage einer solchen empirischen Analyse und Bewertung können weitere Empfehlungen zu methodischen Standards solcher Verfahren fachlich entwickelt und transparent begründet werden.
Die Empfehlung als Download: Empfehlung der BAG ASD zur Personalbemessung gem § 79 Abs, 3 SGB VIII