Die Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland steht vor einem Wendepunkt. Fachkräftemangel, steigende Arbeitsbelastung, wachsende soziale Probleme und drohende Einsparmaßnahmen gefährden zentrale Aufgaben des Staates: den Schutz und die Teilhabe junger Menschen.
Jugendämter, freie Träger und Fachkräfte melden Überlastung, fehlendes Personal, abnehmende Qualität und wachsendes Risiko im Kinderschutz. In vielen Kommunen wird über Kürzungen diskutiert – ausgerechnet in einem Bereich, der existenziell für das Vertrauen in den Staat ist.
„Kinderrechte sind kein Sparposten. Sie sind die Grundlage einer funktionierenden Demokratie und Voraussetzung für gesellschaftliche Stabilität."
Die Kinder- und Jugendhilfe ist kritische Infrastruktur. Sie schützt Kinder, unterstützt Familien, stabilisiert Lebensläufe und beugt teuren Krisen vor. Doch das System steht unter enormem Druck.
85 Prozent der Ausgaben trägt die kommunale Ebene – vielerorts über Schulden finanziert. Gleichzeitig fehlen Fachkräfte: Überlastung, hohe Krankheitsraten und Nachwuchsmangel gefährden die Handlungsfähigkeit. Und die gesellschaftlichen Risiken steigen: Armut, psychische Belastungen und Bildungsungleichheit nehmen zu.
Gemeinsam mit dem Vorbereitungsgremium des Expert*innenrats 2025 haben wir sechs zentrale Forderungen formuliert:
Forderung 1: Schutz und Teilhabe garantieren Keine Einsparungen im Kinderschutz, in Prävention, Inklusion und Familienunterstützung.
Forderung 2: Fachkräfteoffensive 2030 Verbindliche Personalbemessung nach § 79 SGB VIII, bezahlte Praktika, duale Studiengänge, gebührenfreie Ausbildung sowie Entlastung durch Verwaltungspersonal und Digitalisierung.
Forderung 3: Kommunen handlungsfähig machen Beteiligung des Bundes an Pflichtaufgaben, Dynamisierung von Förderprogrammen und faire Konnexität.
Forderung 4: Strukturen modernisieren Agile, intersektorale Zusammenarbeit fördern, Entbürokratisierung vorantreiben und unabhängige Beschwerdestellen einrichten – für Adressat*innen und Fachkräfte gleichermaßen.
Forderung 5: Kinderschutz umfassend denken Wirksame Prävention, Stärkung von Familien, konsequente Sicherung der Kinderrechte und die Einführung eines verpflichtenden Kinderschutz-Moduls für alle Berufsgruppen, die mit Kindern arbeiten.
Forderung 6: Amt eines/einer Kinderbeauftragten schaffen Umsetzung der Empfehlung des UN-Kinderrechtsausschusses: eine Stelle auf Bundesebene mit entsprechenden Strukturen auf Landesebene, die für die wirksame Überwachung und Koordinierung aller Maßnahmen zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention verantwortlich ist.
Als konkrete nächste Schritte fordern wir die Einrichtung einer Bund-Länder-Kommission „Kinderrechte und Jugendhilfe sichern", den Aufbau eines bundesweiten Monitorings zu Personal, Qualität und Versorgungslücken, die Entwicklung kommunaler Gesamtstrategien für Prävention und Inklusion sowie die Einbindung der Kinderkommission und der Kinderbeauftragten in die Reformprozesse.
Wenn jetzt nicht gehandelt wird, droht ein schleichender Systemkollaps: Schutzaufträge bleiben unerfüllt, Familienhilfen werden gekürzt, Kinderrechte unterlaufen.
Die aktuelle Studie „Jugend in Deutschland" zeigt: Der Glaube an das politische System ist in der jungen Generation stark erschüttert. Viele junge Menschen wenden sich alternativen oder radikalen Kräften zu – ein Zeichen tiefer Enttäuschung. Sie fühlen sich von der Politik nicht repräsentiert.
Die Zukunftsfähigkeit unseres Landes entscheidet sich daran, wie wir heute mit unseren Kindern umgehen. Investitionen in Schutz und Teilhabe junger Menschen sind Investitionen in die demokratische Daseinsvorsorge.
„Setzen Sie ein klares Signal: Kinderrechte sichern, Fachkräfte stärken, Kommunen entlasten. Schutz und Teilhabe dürfen nicht dem Rotstift geopfert werden."